31.05.2011 - Gerd Bosbach war nach der letzten Volkszählung in Westdeutschland 1987 beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden auch mit der Auswertung der Zählung betraut, kennt also die Tücken im Detail. Hier äußert er sich, gemeinsam mit Jens Jürgen Korff, zu Gründen und Problemen des aktuellen Zensus 2011.
Die Erhebung genauerer Bevölkerungsdaten erscheint uns notwendig
Die von offizieller Seite als Grund angegebenen Nutzung der Daten für lokale Planungszwecke scheint uns eher die Ausnahme zu sein.
Bevölkerungs- und Planungsdaten sind an sich nichts Schlechtes. Ob aufgedeckte Spielräume zu Kürzungen oder aufgedeckte Engpässe zu Erweiterungen genutzt werden, ist eine politische Entscheidung.
Genauigkeit der Ergebnisse
Auch mit dem Zensus werden die Bevölkerungszahlen nur ungefähr ermittelt, allerdings werden die Daten wesentlich besser sein als die aktuellen.
Einige Gründe:
Verbesserungsvorschlag
Parallel zum Zensus stellt das Statistische Bundesamt aus Melderegisterdaten, Daten der Bundesagentur für Arbeit und weiteren Quellen über jeden Bürger einen Datensatz zusammen. Dieser sollte jedem Bürger zur Überprüfung zugesendet werden. Das schafft Vertrauen, ermöglicht Korrekturen und ist im Verhältnis zu den anderen Kosten (z.B. persönliche Interviewer!) preiswert. Wenn das jetzt nicht mehr in den Zeitplan passen sollte: 2021 kommt der nächste Zensus.
Ergebnisinterpretation (Frühwarnung)
Die Daten aus den Fragen zur Tätigkeit (Nr. 31, alles ab 1 Stunde pro Woche) und Arbeitssuche (Nr. 40, 41) könnten bei falscher Interpretation leicht die Erwerbstätigenzahl überschätzen und die Anzahl der Arbeitssuchenden unterschätzen.
Erklärung zu der überschätzten Lebenserwartung:
Alle 5-Jahres-Altersgruppen der Bevölkerung sind nach dem Zensustest 2001 kleiner als angenommen. Also gilt für alle Altersgruppen:
Wenn die Bevölkerungszahl überschätzt wird, wird die Sterberate unterschätzt. Denn die Sterberate ergibt sich aus dem Verhältnis reale Tote der Altersgruppe (fast exakt gemessen) zur entsprechenden Bevölkerungszahl. Und wenn der Nenner real kleiner ist, wird die Sterberate höher. Aus den Sterberaten der Altersgruppen wird die Lebenserwartung ermittelt: je niedriger die Sterberate, desto höher die Lebenserwartung. Das ist bei jungen Gruppen kein großer Effekt, aber es führt auch dort zu einer Überschätzung der Lebenserwartung. Bei einigen höheren Altersgruppen ist der Effekt schon gravierender.
Insider vermuten deshalb, dass die Lebenserwartung um bis zu drei Jahre nach unten korrigiert werden muss!
Köln/Bielefeld, 17. Mai 2011
Gerd Bosbach, Jens Jürgen Korff